Im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sehen viele ein Bürokratie-Monster. Ließe es sich einfach abschaffen? Und was würde das bringen? 5 Argumente im Faktencheck.


Diskutiert wird schon lange, zur Bundestagswahl liegen die Forderungen erneut auf dem Tisch: In manchem Wahlprogramm heißt es, das Lieferkettengesetz gehöre abgeschafft – um Bürokratie abzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln. Unsinn, meinen andere: Ohne Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz würden die meisten Regeln trotzdem gelten. Auch der Schutz von Menschenrechten wird ins Spiel gebracht. Was steckt hinter den fünf gängigsten Argumenten und Gegenargumenten?


Der Faktencheck. 

Argument 1: „Das Lieferkettengesetz macht nur Arbeit und bringt keine Vorteile“ 

Risikomanagement, Berichte, Audits: Das Lieferkettengesetz bringt eine ganze Reihe von Pflichten mit sich. „Es wird immer als ‚Bürokratiemonster‘ bezeichnet – und ja, es stimmt, es sind viele Vorgaben drin“, bestätigt Daniela Rak. Sie hat als 
Head of ESG beim Technologie- und Managed Service Provider Konica Minolta
 die LkSG-Vorgaben umgesetzt. „Aber es kann auch unterstützen, Einkauf und Governance deutlich zu verbessern.“ Denn wer seine Prozesse, Verträge und Lieferanten genauer unter die Lupe nimmt, findet nebenbei auch viele Potenziale zum Optimieren – und kann sich vergewissern, dass Zulieferer halten, was sie versprechen. So sichert das LkSG nicht nur Umweltschutz- und Menschenrechts-Standards, sondern kann auch die Qualität steigern. 

 

Argument 2: „LkSG abschaffen bedeutet weniger Bürokratie“ 

Tatsächlich würden vereinzelte Aufgaben wie die Erstellung von BAFA-Berichten zunächst entfallen, sollte das Lieferkettengesetz gekippt werden. An den zentralen Aufgaben – Risikoanalyse und -management sowie Maßnahmen zur Sicherung der Umwelt- und Sozialstandards – würde sich allerdings nichts ändern, erklärt Daniela Rak: „Wir haben eine europäische Richtlinie, die bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss – die CSDDD kommt sowieso. Und die ist noch umfangreicher und in einigen Teilen auch strenger als das bisherige deutsche Gesetz.“ Die sogenannte „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ betrachtet zum Beispiel nicht nur die Lieferkette vom Rohstoff bis zum Produkt (Upstream), sondern auch vom Produkt bis zu den Endverbraucher*innen (Downstream). 

 

Argument 3: „Das Lieferkettengesetz betrifft doch sowieso nur Großkonzerne“ 

Anfänglich galt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden, diese Grenze wurde auf 1.000 Mitarbeitende gesenkt. „Doch wenn ein Unternehmen selbst nicht unter das Gesetz fällt, heißt das nicht, dass es ignoriert werden kann“, gibt ESG-Expertin Rak zu bedenken. „Wer als Lieferant für größere Firmen infrage kommen will, muss dieselben Sorgfaltspflichten erfüllen – oder fliegt schlimmstenfalls aus der Kette.“ Der Effekt der Lieferkettenreaktion gilt beim 
LkSG wie auch bei anderen Gesetzen
: Die Anforderungen werden entlang der gesamten Lieferkette von Unternehmen zu Unternehmen durchgereicht. Wer für Auftraggeber ein Risiko darstellt, ist klar im Nachteil. 

 

Argument 4: „Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz behandelt Unternehmen unfair“ 

Ständige Kontrollen und beim kleinsten Verstoß werde sofort der Liefervertrag gekündigt – in der Diskussion um das Lieferkettengesetz sehen manche die mittelständischen Unternehmen im Nachteil. „Das Gesetz sieht aber vor, bei Problemen eine gemeinsame Lösung zu finden“, gibt Daniela Rak zu bedenken. Audits, bei denen sich Geschäftspartner vor Ort ein eigenes Bild machen können, seien zwar ein mögliches Instrument. „Aber ganz ehrlich: Geschäftspartner werden sich nicht ständig gegenseitig vor Ort auditieren. Und niemand hat ein Interesse daran, ständig neue Lieferanten zu suchen.“ Im Geschäftsalltag geht die ESG-Expertin eher von pragmatischen Lösungen aus. 

 

Argument 5: „Verbraucher entscheiden sich auch ohne Gesetz gegen Ausbeutung“ 

Kund*innen würden bedenkliche Produkte gar nicht erst kaufen: Anstelle von Gesetzen würde der Markt selbst den Schutz von Umwelt und Menschenrechten gewährleisten, so die Versprechen einiger Politiker*innen. Daniela Rak vom Technologie- und Managed Service Provider Konica Minolta ist skeptisch. „Dass ich als Endverbraucherin in jedem Einzelfall prüfe, unter welchen Produktionsbedingungen ein T-Shirt oder ein Schokoriegel entstanden ist, halte ich für unrealistisch. Wer hat die Zeit und die Möglichkeiten, im Alleingang die ganze Lieferkette zu verfolgen?“ Außerdem spiele der Preis beim Einkaufen eine entscheidende Rolle. „Die Verantwortung liegt für mich bei den Unternehmen, nicht bei Einzelpersonen.“ 

Praxis-Beispiel: Gute Prozesse mit sauberen Lieferketten

Ein mittelständisches Unternehmen, eingebunden in ein globales Netzwerk, mit hunderten Zulieferern und Kund*innen aus unterschiedlichsten Branchen: Auch für die Konica Minolta Business Solutions Deutschland GmbH hat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eine hohe Relevanz. „Wir mussten uns faktisch schon ein Jahr vor dem eigentlichen Stichtag mit dem Lieferkettengesetz beschäftigen“, berichtet ESG-Managerin Daniela Rak: „Wir sind in der Upstream-Lieferkette von einigen Unternehmen, die bereits 2023 berichten mussten. So hatten wir unsere Prozesse schon früh vorbereitet.“ BAFA-Berichte mussten da zwar noch nicht abgegeben werden – allerdings wollte das Unternehmen aussagefähig gegenüber den Geschäftspartnern sein. Zum Vertriebsgebiet gehört auch Österreich, wo noch keine nationale Gesetzgebung vorliegt. „Aber auch hier haben wir genau hingesehen, denn Anforderungen an die Lieferketten und Sorgfaltspflichten sollen ja gerade über Grenzen hinweg wirken.“ 
Geholfen haben bei der Umsetzung unter anderem digitale Tools
 – das versteht sich für Daniela Rak von selbst: „Was wir Kund*innen anbieten, nutzen wir auch bei uns!“ 

Nachhaltigkeit bleibt im Fokus – ob mit oder ohne Lieferkettengesetz 

Die Diskussion um die Abschaffung des Lieferkettengesetzes mag Aufmerksamkeit erzeugen. Sie ändert allerdings nichts daran, dass Unternehmen Nachhaltigkeit und Menschenrechte im Blick behalten sollten. Denn ohnehin ist das LkSG wie ein Vorläufer der kommenden EU-Direktive CSDDD – und diese kommt garantiert. Vorausschauend handelt, wer sich jetzt schon darauf vorbereitet. 

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